Montag, 1. Juni 2015

Mal ein kleiner Versuch.

Strahlend blauer Himmel. Die Sonnenstrahlen streicheln mein Gesicht. Seit Stunden sitze ich im Zug. Keine Ahnung wohin. Ohne jegliche Richtung. Das Abteil ist bis auf mich und einen alten Mann, mit einer Rose in der Hand, leer. Sein Krückstock liegt nach mehrmaligem Umfallen neben ihm. Sein Gesicht hat etwas Trauriges. So verletzt. Lediglich das ausdrucksvolle Strahlen seiner Augen lässt ihn nicht allzu alleine wirken. Nach weiteren 30 Minuten, gehe ich zu ihm. Erwartungsvoll wandern seine Augen aus seinem verträumten Dasein hoch und erwidern meinen Blick.  
>>Entschuldigen Sie, kann ich Ihnen helfen? <<, frage ich. 
>>Weißt du Kleines, du kannst mich Bruno nennen und lassen wir das mit den Förmlichkeiten. Wir sitzen nun schon 4 Stunden in diesem Zug. Ich weiß schon, du möchtest wissen, wieso so ein alter Mann wie ich so lange ganz alleine im Zug sitzt. << 
Mit leicht geröteten Wangen sehe ich ihn an: >>Es tut mir leid, dass es so offensichtlich ist und ich einfach so schamlos zu Ihnen, entschuldige, dir gegangen bin. Aber ja, ich frage mich wirklich, was du hier mit einer Rose machst und wohin du überhaupt willst. << 
Bruno lächelt mich an. Mit zwei langsamen bemühten Bewegungen richtet er sich auf. 
>>Weißt du Kleines, du brauchst dich für rein gar nichts zu entschuldigen. Ich war früher genauso wie du. So neugierig. Nun, mach es dir bequem und dann erzähle ich dir alles. [...] Gut, also wo fange ich am Besten an... Die Frau für die diese Rose bestimmt ist, heißt Elisabeth. Seit meinem Studium vor 50 Jahren habe ich sie nicht mehr gesehen. Wir waren in denselben Kursen, hatten die gleichen Vorlesungen... Man könnte sagen, wir waren das perfekte Team zusammen. Wir lernten zusammen, verbrachten Wochenenden zusammen, hatten dieselben Freunde und nach und nach lernten wir auch unsere Familien gegenseitig kennen. Nach unserer Zwischenprüfung feierten wir und tranken vielleicht etwas zu viel. Je nachdem wie man es sieht. Nun ja, dieser Abend war der Abend, der uns als Paar zusammen brachte. << 
Er hielt einen Moment inne.  
>>Es war der schönste Abend meines Lebens. Leider waren wir wie gesagt nur bis Ende unseres Studiums zusammen. Sie bekam die Chance nach Amerika zu gehen und ich nach England. Dies taten wir auch, aber hatten nicht mit den Folgen gerechnet. Über Kurz oder Lang funktionierte es einfach nicht mehr. Die Telefonate waren zu teuer und Briefe blieben Monatelang beim Zoll. Auch die Reisen waren mit knapp 1.500 DM pro Flug eindeutig viel zu teuer. Aber wir versuchten es wirklich. Jedoch bekam ich irgendwann keine Antwort mehr auf meine Briefe. Einfach Funkstille. Ich ging wieder zurück nach Deutschland. Ich wusste nicht, ob sie auch wieder zurückgegangen war oder nicht, also fing ich damit an, jedes Telefonbuch nach Elisabeth zu durchsuchen, allerdings war keine die ich davon anrief meine Lisa. Es war echt frustrierend keinen Erfolg bei meiner Suche zu haben. Vielleicht hatte sie ja geheiratet. Vielleicht hatte sie sich ihren Traum erfüllt ein Haus am See oder am Meer zu kaufen und ohne jegliche Technik auszukommen. Ich blieb diese 50 Jahre lang allein. Hatte Freunde und Bekannte, aber keine Geliebte mehr. Niemandem konnte ich noch so vertrauen wie ihr. Niemanden konnte ich noch so lieben wie sie. Vor ein paar Monaten traf ich dann einen stattlichen jungen Burschen der mir hinterher rief: ,,Bruno! Bruno? Bist du es wirklich?" Ich war total verwirrt. Woher sollte gerade er mich kennen? << 
Sein Gesicht überkommt ein Strahlen. Seine Augen haben nun wieder dieses Funkeln. 
>>Kleines, er kannte mich durch Lisa. Du glaubst mir gar nicht wie glücklich ich war. Brúno, hieß er. Sie hatte ihren Sohn nach mir benannt! Er erzählte mir, dass Lisa einen Amerikaner geheiratet hatte, sich aber von ihm scheiden ließ, weil er sie nur geschlagen hat. Er wollte nicht, dass sie wieder zurück geht nach Deutschland. Er nannte es immer gehässig "Germanazi" und wollte nicht, dass sie doch noch zu einem Nazi mutieren würde. Trotz der langen Zeit, meinte er, es könnte ja immer noch passieren. Irgendwann war es ihr dann einfach zu viel und sie ging mit ihren zwei Kindern, Brúno und Elena, zurück mit der Hoffnung mich zu finden. Glaubst du das? Sie sucht mich ebenfalls! Seit mehr als 50 Jahren haben wir uns nicht mehr gesehen und trotzdem sucht sie mich! Trotz Mann und Kindern, sucht sie MICH! Mich, Bruno! Nicht Jason; mich!<< 
Eine Träne läuft ihm die Wange herunter. Schluchzend führt er fort: >> Wow, ich hätte nicht gedacht, dass es mich immer noch so berührt. Ich zittere immer noch wie bei dem Gespräch mit ihrem Sohn. Nun ja, er gab mir jedenfalls ihre Adresse und... Ja, jetzt fahre ich eben zu ihr. Sie wohnt in einem Strandhaus an der Nordsee. Sie weiß noch gar nicht, dass ich vorhabe zu kommen. Vielleicht weiß sie auch gar nicht, dass ich noch lebe. Oh Gott, jetzt kommen wieder meine Zweifel. Was ist, wenn sie sich doch nicht so freut wie ich? Was ist, wenn sie mich noch gar nicht sehen will? Nein, nein, nein. Bereits zum 10. Mal frage ich mich das alles und noch mehr. Ich glaube einfach daran, dass wir uns endlich wieder lieben können und werden. He! Kleines, sind das etwa Tränen? << lächelt er mich an, während ich sie verlegen wegwische. >>Ja! Du bist solch ein liebevoller Mann und wenn du nichts dagegen hast, würde ich gerne mitkommen und es filmen. Deine Geschichte muss gehört werden! Sie ist so unfassbar und nichts Erfundenes. Die Menschen werden sie lieben. Sie werden dich lieben. Du wirst eine der größten Inspirationen sein! Ich weiß es einfach! << Ich kriege mich kaum noch ein vor lauter Tatendrang.  
>>Oh Kleines, du kannst gerne mitkommen. Was habe ich denn schon zu verlieren? Wer weiß, vielleicht bin ich ja der neue George Clooney oder eine ältere Version von Leonardo DiCaprio. Natürlich scherze ich nur, aber lustig wäre es alle Male. Wir sind ja auch schon kurz vor Hamburg also dauert es nicht mehr allzu lange. Und zwei junge Augen können auch sehr nützlich sein, wenn man ein Strandhaus am Strand sucht. Nicht, dass ich stundenlang umher laufe und es eigentlich direkt am Anfang meiner Strecke gewesen ist.<< 
Nach weiteren 30 Minuten, steigen wir in Cuxhaven aus und fahren von dort aus mit einer Bimmelbahn bis nach Duhnen. Bereits nach 10 Minuten laufen, finden wir ihr Haus. Es ist ein schlicht gehaltenes Holzhaus mit hellblauem Anstrich und kleiner Veranda am Eingang. Eine 2 Personen Schaukel hängt direkt neben der Tür. Es sieht etwas verwittert aus, als würde das Holz bereits anfangen zu modern. Die Netztür steht bereits offen, als würde sie bereits auf ihn warten. Die drei Stufen, die die Veranda heraufführen, knarren beim Betreten.  
>>Oh Gott, jetzt ist es wohl soweit. Ich habe mir 50 Jahre lang diesen Moment in meinem Kopf ausgemalt, wie eine Szene in einem schnulzigen Roman. Sie geht an die Tür, sieht mir in die Augen, rennt auf mich zu, springt mir in die Arme und wir beide lachen und weinen gemeinsam. Jetzt ist das alles in greifbarer Nähe. Ich glaube, ich kann das nicht. Ich sollte lieber wieder gehen. <<
>>Aber Bruno, du bist so weit gekommen; hast solange gewartet. Willst du die ganze Arbeit für nichts wegschmeißen? Du weißt, dass du das nicht willst, du willst Elisabeth. Auch wenn es keine Hollywood-taugliche Szene wird, es wird mindestens der zweitschönste Moment in deinem Leben! Vertrau mir, du willst es! Ich bin die ganze Zeit bei dir, ich lasse dich nicht allein hierbei. Und vergess' die Rose nicht. Einen Moment, ich starte die Kamera.<< 
Mit einem kräftigen Klopfen melden wir uns. Aus weiterer Entfernung hören wir: 
>>Wer ist da? Einen Moment, ich komme... << 
>>Da ist sie. Sie ist noch genauso schön wie damals. Elisabeth, hallo, ich bin es. <<

>>Bruno? Nein, das kann nicht sein, bist du es wirklich? Wie, was? Oh mein Gott, komm her! <<
Vor lauter Aufregung lässt er die Rose fallen. Sie fallen sich in die Arme und fangen gleichzeitig an zu weinen. Danach bittet sie uns rein. Wir gehen in ihr Wohnzimmer und setzen uns auf eine etwas veraltete samt-rote Couch. >>Ich hatte schon fast die Hoffnung aufgegeben dich noch einmal wiederzusehen, Bruno. Ich kann es noch gar nicht richtig glauben. Aber jetzt müsst ihr beide mir mal erklären, wie ihr mich gefunden habt, wieso du am Filmen bist und es tut mir Leid, wie heißt du meine Liebe? << 
>>Ihr Name ist Isabella. Sie ist der Grund, weshalb ich nicht vor lauter Angst wieder umgedreht bin. Wir haben uns während der Zugfahrt hier hin kennengelernt und als ich ihr unsere Geschichte erzählt habe, wollte sie unbedingt mitkommen und es filmen. Sie meint, unsere Geschichte hat ein großes inspirierendes Potential. Ich hoffe, es ist okay? <<


So meine Lieben, das war mal ein kleiner Versuch meinerseits. Ich habe vor 2 Monaten angefangen sie zu schreiben. Wenn das Feedback zu hier dem Teil gut sein sollte, werde ich den Rest auch noch veröffentlichen, ansonsten weiß ich, dass ich es lieber bei meinen Gedanken-Texten lassen sollte. 
Bis bald,
eure invisible prinzess*